Zupfen tut weh, oder?

01.11.2012

Hier macht es Sinn, den Spannungsbogen der Geschichte zum Anfang zu biegen, da Sie alle bereits die Luft anhalten um Schlimmes zu hören:

Nein, das Zupfen tut nicht weh und der Zupfhund macht beinahe bei jedem gezupftem Haar einen Diener und bedankt sich, dass das abgestorbene Fell endlich raus kommt und er es nicht notdürftig am Sofa und Teppich abschrubbern muss.

Unsere domestizierten Hunde, zu dem alle handgezupften Terrier, sowie Rauhaardackel und Schnauzer gehören, sind dankbar, wenn sie nicht mehr mühselig ins Unterholz müssen um das lästige „Zweithhaar“ los zu werden, wie der einstige Arbeits- und Jagdhund.

Bei diesen Rassen handelt es sich nämlich um eine ganz besonders veranlagte Fellbeschaffenheit. Man nennt sie im Englischen den „rolling coat“. Hier gibt es zwei Deckschichten und eine Unterwolle. Wow! Besser als jede Funktionsjacke für den Menschen.

Das reife, also abgestorbene, oberste Deckhaar wird beim Trimmen/ Zupfen idealer Weise per Hand oder Trimmgerätschaft aus der Haut entnommen, in der es lose mit samt der abgestorbenen Haarwurzel sitz. Es wird somit ein zweites, lebendes Deckhaar freigelegt, was dem Freilegen von tief verborgenem edlem Parkett nahe kommt. Ich nehme den Vergleich zu gerne, weil der geniale Zupfhund, ein Traumfell unter seinem „Gestrüpp“ verborgen hält und jedes Mal den Hundebesitzer nebst Zupfer zum Entzücken bringt, obwohl das alle 8-12 Wochen bei der Behandlung von neuem geschieht. Der Zupfhund trägt einfach seine Frisur in Länge, Beschaffenheit und Farbe mit sich. Man muss es nur professionell lüften. Einfach genial!

Ich kann es kaum verbergen, welche Freude es bereitet, dieses tolle Fell zu behandeln. Deshalb bin ich immer ganz erbost, sollte sich einer mit der Schermaschine diesem Fell nähern. Welch Schande überkommt den Hund. Das Vergehen hat nämlich langfristige, bis endgültige Folgen auf den künftigen Zustand der Fellstruktur. Einmal in die Schichten geschoren, verändert sich sofort das Fell. Eigentlich abgestorbenes Haar erhält in der Haut die Botschaft nicht mehr erneut zu produzieren. Das schöne harsche Deckhaar wird seidig und schwach und lässt sich nicht mehr aus der Haut entnehmen. Der Haarzyklus wird eingestellt. Praktisch, meint der Unwissende. Aber tragisch, weiß der Kenner.

Terrierfell zeichnet sich durch ein harsches, raues, glänzendes und robustes Fell aus. Degeneriertes Fell durch Fehlbehandlung ist nicht nur im Aussehen eine Jammer, sondern auch in der Schutzfunktion. Ebenso verliert der Hund bei einem Abscheren seine leuchtenden Farben und ergraut zunehmend.

Interessanterweise erlebe ich oft , dass Mischlinge aus dem Süden gerne mal einen Terrier als Elternteil haben und somit ein interessantes Zupffell entstanden ist. Das kann der Fachmann auf Meter erkennen und steckt sofort, wie meistens, die Schermaschine weg. Auch hier ist Zupfen angesagt. Und so manch ein Struppi aus dem Süden entpuppt sich – Hallo- zu einem Rassehund – oder so ähnlich und macht eine mächtig gute Figur. Auch der Südeuropäer unter den Hunden weiß es zu schätzen, wenn man sein zupfbares Fell erkennt und ihn von abgestorbener Wolle befreit.
Und um nochmals zu dem Thema zu kommen, ob es dem Hund weh tut. Mit Verlaub, alle Hundehalter eines Terriers wissen, dass dieser, bei dem kleinsten Verdacht auf Schmerz oder nur Unerwünschtem, mit mindestens der Präsentation des gesamten Kieferbestandes antworten würde. Aber nein, was passiert anstatt dessen? Er gurrt. Sagen Sie bitte einmal, wann Ihr Terrier gurrt. Wir wollen nicht davon sprechen, wenn er Nachbars Katze erwischt hat.

Im Ernst, der Hund mit Zupffell, ist außerordentlich dankbar, wenn dies als solches Fell erkannt wird und manuell herausgenommen wird. Er dankt es mit gesunder Haut und gesundem Haar und einer Terrier ungewöhnlicher Ruhe bei der Fellpflege.

Bitte klären Sie bei Ihrem Hundesalon im Vorfeld verbindlich die korrekte Pflegebehandlung Ihres „Zupfhundes“. Ein einmaliges Scheren zerstört die traumhaften Schichten und macht es nur in Ausnahmefällen möglich, das Fell unter – leider Schmerzen- zu restrukturieren.

Hier gilt die Devise: Finger weg mit der Schermaschine vom Zupfhund.