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Von der Unart, langhaarige Hunde zu scheren
Artikel vom 15. Mai 2016
Verschiedene Gründe führen dazu, dass sich Hundebesitzer dazu entscheiden, einen langhaarigen Hund abzuscheren. Sie argumentieren, das Fell sei zu lang um einen hygienischen und praktischen Alltag mit dem Hund sicherzustellen. Der Hund ließe sich weder gerne bürsten, dadurch entstünde Filz. Noch möge er sich waschen lassen, was zu üblen Gerüchen führe. Außerdem würde das Fell zu viel Schmutz aufnehmen und der Hund verteile diesen im Hause.
Im Sommer stellt sich immer wieder die gleiche Frage, ob der Hund mit seinem langen Fell nicht „schwitze“ oder gar einen Hitzestau erleide.
Es gibt auch Halter von langhaarigen Hunden, die den Charakter der Rasse besonders mögen, jedoch dessen Haarkleid eher nicht und verwandeln den Hund aus Schönheitsempfinden durch eine Schur in einen Kurzhaarhund.
Keines der Argumente stütz allerdings den sorgsamen, rassegerechten Umgang mit Hundefell, das eine sehr wichtige Funktion erfüllt.
Wie Hundefell aufgebaut ist
Haut und Haar bilden das Fell eines Hundes. Es schützt ihn vor äußeren Einflüssen und ist für die Temperatur- und Immunregulation und die Sinneswahrnehmung zuständig.
Funktionen der Hundehaare
Bei den meisten Rassen besteht das Haar aus zwei Schichten, dem Deckhaar und der Unterwolle. Das Deckhaar, auch Grannenhaar, ist in seiner Struktur länger und fester und dient zum Schutz gegen äußere Einflüsse, wie Sonne, Wind, Wasser, mechanische Einwirkungen beim Spiel, im Kampf oder beim Streifen durchs Gelände. Die Unterwolle ist in ihrer Struktur weich und kürzer. Sie sitzt dicht an der Haut und schützt diese ergänzend, insbesondere gegen Kälte. Beide Schichten wechseln zyklisch, das heißt, die Haare fallen in bestimmten Abständen aus und erneuern sich. Sie bilden im Zusammenspiel eine optimale Isolierschicht gegen Wärme und Kälte.
Funktionen der Hundehaut
Hundehaut ist deutlich anders aufgebaut als Menschenhaut. Beispielsweise besitzt sie in den meisten Körperregionen keine Schweißdrüsen, hat einen basischen pH-Wert und dadurch eine andere Hautflora als Menschen. Die Hundehaut ist zu dem dünner. Sie besteht im groben aus drei Schichten, die für die Abwehr von Mikroorganismen, wie Pilze, Bakterien und Viren zuständig sind, die Allergien und Infekte im Körper hervorrufen können. Die Haut sorgt dafür, dass der Körper keine lebenswichtigen Elemente, wie z.B. Wasser verliert und fungiert als Austauschorgan für Sexuallockstoffe und scheidet Giftstoffe aus, die in den Körper gelangt sind. Sie sorgt mit ihren Talgdrüsen für ein gesundes Hautmilieu, und ermöglicht mit den Haarbalgmuskeln das Aufstellen der Haare als weitere Schutzfunktion.
Was passiert, wenn das Fell geschoren wird
Die Schur führt immer dazu, dass ein Fell mit den wichtigen Haarschichten bis auf wenige Millimeter gekürzt wird. Das Deckhaar wird in der Regel komplett zerstört und verliert somit seine Schutzfunktion für die empfindliche Haut mit ihren wichtigen Funktionen. Die Unterwolle kann diese Funktion alleine nicht erfüllen und saugt sich bei Nässe nur voll und bleibt klamm. Auf der Haut staut sich Feuchtigkeit, die einen Nährboden für Parasiten und Hautkrankheiten bildet.
Die Thermoregulation gerät nach einer Schur aus den Fugen. Zudem wirkt sich die Schur auch schädlich auf die empfindliche Hundehaut aus, da aggressive Sonnenstrahlen zu Hautschädigungen führen können.
Bei Hunden mit dichter Unterwolle kann die Schur zu einer „Post Clipping Alopecia“ (bleibende kahle Stellen) führen, die den Nachwuchs des Haares komplett unterbindet, da sich der Haarfollikel durch Abscheren des abgestorbenen Haares – anstatt es heraus zu bürsten, bzw. zu trimmen - nicht erneuert.
Nicht selten kann man eine Strukturveränderung des Fells beobachten, die zum einen dazu führt, dass sich Büschelwuchs bildet, Unterwolle somit das glänzende, schützende Deckhaar verdrängt und der Hund verwollt, wie zum Beispiel bei Golden Retrievern. Außerdem verändert sich das seidige Fell zu strohigen Locken, insbesondere bei langhaarigen Hunden, deren Unterwolle in der Länge mitwächst, wie zum Beispiel bei Havanesern. Das Fell verliert dadurch auch an Farbe.
Eine Schur von Terriern und anderen Trimmhunden führt immer zur Zerstörung der 3 schichtigen Haarstruktur (2 Deckhaarschichten, 1 Unterwollschicht). Der Haarwechsel wird unterbrochen, neues Haar wird nicht mehr produziert und ein zartes, seidiges, einschichtiges Fell mit grauer Farbe ersetzt das prächtige, harsche farbige Fell.
Durch eine Schur kann das Haarkleid dauerhaft zerstört werden und der Haarnachwuchs verhindert werden und neben den optischen Problemen können Angriffe auf die zarte Haut zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen führen.
Welche Alternative gibt es zur Schur
Nahe an der Natur zu handeln stellt eine echte Alternative zur Schur dar. Die natürliche Behaarung eines Hundes erfüllt optimal alle Funktionen zur Gesunderhaltung der Schutzfunktion der Haut. Deshalb gibt es sorgsame Pflegemethoden um das Fell einerseits natürlich zu erhalten, anderseits für den Alltag im Zusammenleben mit dem Hund zu erleichtern.
- Hunde mit einer glänzenden Deckschicht und einer Unterwollschicht, ( Double Coat ) wie Golden Retriever, Labrador, Berner Sennen, Neufundländer, Border Collie, Spaniel, Setter, Münsterländer etc., sowie Kurzhaarhunde, wie Mops, Viszla, Dalmatiner, Boxer, Ridgeback etc. werden mit verschiedenen Bürsten, Kämmen und Striegeln entsprechend von abgestorbenen Haaren und Verfilzungen befreit und können bei Bedarf in den Längen ( z.B. im Profil einer Golden Retrievers mit der Schere gekürzt werden).
- Langhaarige Hunde mit einer Deckschicht und einer mit in der Länge wachsenden Unterwolle (Longflowing Klasse), wie Briard, Bearded Collie, Tibet Terrier, Afghane etc. werden gründlich ausgebürstet, von abgestorbener Unterwolle befreit und mit der Schere bei Bedarf in den Längen gekürzt.
- Weiches Fell (Soft Coat Klasse) wie Yorkshire Terrier, Havaneser, Malteser, Shi-Tzu, Lhasa Apso, Coton de Tuelar etc. können sowohl Single als auch Double Coat haben und müssen regelmäßig gebürstet werden und können bei Bedarf einen Haarschnitt am gesamten Körper mit einer Schere erhalten.
- Hunde mit einem Trimmfell, zwei Deckschichten und einer Unterwollschicht (Rolling Coat) wie alle Trimmterrier, Rauhhaardackel, Schnauzer, Jagdhunde mit Drahthaar etc. werden mit den Fingern oder dem Trimmmesser in regelmäßigen Abständen von der abgestorbenen Deckschicht befreit.
Eigenheiten verschiedener Rassen: Pudel, Golden- und Labradoodles, langhaarige Mischlinge ohne Hinweis auf die Elterntiere
Die Wollhaarklasse, unter der sich alle Hunde zählen lassen, die ein Single Coat besitzen, also nur ein Haar ohne Unterwolle produzieren, das in die Länge wächst und irgendwann geschnitten werden muss, stellt die große Ausnahme beim Schurverbot dar. Bei den Rassen der Pudel, Bichon, Wasserhunde, etc. kann es zu keinerlei Strukturveränderungen des Haarkleids durch eine Schur kommen. Dennoch wird empfohlen, das Haar nicht so stark zu kürzen, so dass die Haut exponiert wird um o.g. gesundheitliche Folgen zu vermeiden.
Pudelmischlinge, wie Labradoodle, Goldendoodle, Maltipoo, Cockapoo, Snoodle etc. sind immer mit einem ursprünglich zweischichtigem Hundefell gekreuzt. Das kann durchaus dazu führen, dass einzelne Hunde nicht nur extrem haaren, sondern auch zur extremen Verfilzung führen und mit großer Hingabe regelmäßig gebürstet werden müssen. Denn auch hier lauert die Gefahr der zunehmenden Verwollung durch die bloße Schur.
Dies gilt häufig auch für Hunde ohne Hinweis auf die Elterntiere, die oftmals aus dem Ausland im Rahmen von Tierschutzprogrammen aufgenommen werden.
Fachkundige Fellpflegeexperten erkennen die optimalen Pflegemethoden
für Rasse- und Mischlingshunde und können für die unterjährige
Heimfellpflege nützliche Tipps geben und in regelmäßigen Abständen den
Hunden eine optimale Frisur schneiden, bzw. bürsten oder trimmen, damit
Hund und Halter sich in ihrer Haut „pudelwohl“ fühlen.